Auf die Perspektive kommt es an
Forschungsergebnisse aus der Hirnforschung sind immer spannend, denn sie vermitteln uns Kenntnisse darüber, wie wir Menschen funktionieren. In ihrem Artikel: ‚Die Ich-Perspektive’ (aus: Zeit online vom 10.4.2012) berichtet Claudia Wüstenhagen von Ergebnissen nicht nur aus den USA , sondern auch aus der Forschung am Max-Planck-Institut für Kybernetik in Tübingen. Wir ahnten es schon länger, und nun ist es erwiesen: Die Persönlichkeit, der eigene Körper, ob man groß oder klein ist, aber auch Wünsche und Gefühle beeinflussen, was wir wahrnehmen und wie wir es interpretieren. Da wir kein anderes Referenzsystem haben als uns selbst, schließen wir von uns auf andere. Davon auszugehen, dass Andere so sind wie wir selbst, hilft und schadet uns – je nach Situation.
Kreatives Schreiben trainiert die Wahrnehmung
Das Kreative Schreiben trainiert die Wahrnehmung: Über Techniken wie ‚sinnliches Schreiben’, Perspektivwechsel und Wortspiele wachsen bei regelmäßig Schreibenden die Antennen und das Gespür für das, was ist. Das, was sein könnte, wird mittels anderer Techniken aus dem Unbewussten gezogen: So kommen Wünsche, Sehnsüchte nach vielleicht einer neuen Lebensausrichtung und der Plan, wie man dorthin kommt, auf das Papier und in die Welt.
Schreiben hilft, heilt und macht stark
James Pennebaker, Klaus Vopel, Silke Heimes und andere haben schon lange nachgewiesen, dass Schreiben nicht nur bei der Traumaverarbeitung, sondern im Alltag hilft. Die Kraft, das Leben zu bewältigen, kommt aus den Beziehungen mit anderen Menschen und auch aus unserem Unbewussten. Dort ist das Wissen um schon bewältigte Krisen gespeichert. Das Kreative Schreiben hält uns im Kontakt: Gut ausgebildete Schreibgruppenleiter, wie z. B. von der Alice-Salomon-Hochschule aus dem Studiengang Biografisches und Kreatives Schreiben, verstehen es, Schreibimpulse so zu setzen, dass die Kraft nach oben drängt und über das Schreiben nach außen ins Bewusstsein transportiert wird. Auch die erweiterte Wahrnehmungskompetenz, die über Achtsamkeitsübungen und Perspektivwechsel in therapeutisch ausgerichteten Schreibgruppen trainiert wird, hilft dabei, Situationen angemessen einzuschätzen.
Deutschland, beeil Dich!
Kreatives Schreiben wird in den USA schon lange als therapeutisch wirksames Instrument eingesetzt. Langsam beginnen sich auch in Deutschlands Gesundheitswesen Begriffe wie
„Bibliotherapie“, „Poesietherapie“ und „Schreibpädagogik“ zu etablieren. Auch unter dem Stichwort ‚Resilienz’, der seelischen Widerstandsfähigkeit, wird es in Zukunft Ansätze geben, Menschen in ihrer ‚Stehaufmännchen’-Qualität über das Schreiben zu assistieren.
Nicht uninteressant auch für Unternehmen, die ihre Mitarbeiter stark machen wollen für das Wechselbad der Gefühle, das ein Thema wie ‚Change’ zwangsläufig auslöst.
Entlastung, Austausch, Ressourcenaktivierung
Aus den Schreibgruppen, die ich kenne, kommen die Teilnehmer bester Laune. Das liegt nicht nur daran, dass sie etwas geleistet haben und Schreibprodukte in Form von Texten erstellt haben, sondern auch am Prozess. In Schreibgruppen erfahren Menschen Entlastung, Austausch und Ressourcenaktivierung – kein Wunder, dass sie mit einem Lächeln vor die Tür treten und den Herausforderungen wie ‚Wahrnehmung der Welt’ gestärkt begegnen können.
Herzlichst,
Susanne Diehm