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STILLE …

Ein Text von Günter Kranz nach einer Schreibanregung aus dem Adventskalender

Unsere Schatten sind uns weit voraus. Wir wandern nach Westen, auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Es ist noch früh, und wir sind allein. Andere Pilger haben uns erzählt, wie es sei, die spanische Meseta zu durchqueren. Wir glauben also, vorbereitet zu sein.
Unsere Schritte haben sich einander wieder angeglichen; seit einer Stunde haben wir nicht mehr gesprochen. Soweit der Blick reicht, kein Baum, kein Strauch. Flaches Land. Vor uns verliert sich unser Weg als dünner Faden am Horizont. Ich wende mich um. Das selbe Bild, der selbe Weg. Ein Anflug von Panik nimmt mir den Atem. Ich bleibe stehen. Meiner Frau scheint es ähnlich zu gehen. Wir verharren und lauschen. Stille, Leere. Kein Windhauch, nichts. Wir sind allein unter dem wolkenlosen Himmel. Da, plötzlich eine Bewegung! Ein kleiner Vogel fliegt vor uns auf, steigt hoch und bleibt Flügel schlagend über uns stehen. Er singt! Er singt für uns; sein Lied handelt von der Stille und Einsamkeit dieser grandiosen Landschaft. Es handelt auch von uns beiden.
Unsere Trance ist gebrochen. Meine Frau nimmt meine Hand; wir schauen uns an und lächeln. Ich wische eine Träne weg. Komm, lass uns weiter gehen!
Dies geschah am 11. Mai 2009.

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Axt und Tannebaum – Ein Dialog…. (10. Türchen)

T ist der Tannenbaum, A ist die Axt…

T. Hey du, warum liegst du mir zu Füßen?
A: Ich soll dich schlagen. Du bist einfach fällig dieses Jahr.
T: Warum tust du es dann nicht?
A: Alleine kann ich das nicht. Ich warte auf den Waldarbeiter.
T: Aha. Warum hat er dich dann hier liegen gelassen? Vergessen?
A: Mein Herr vergisst mich nie. Ich denke, er macht Pause.
Zwei Tage später:
T: Warum ligst du noch hier?
A. Ich weiß es nicht. So lange hat mein Herr noch nie Pause gemacht.
T: Das ist gut. Ich will nämlich nicht als Weihnachtsbaum verdorren.
A: aber mir gehts jetzt hier nicht gut
T: Wieso? Der Regen ist doch sehr erfrischend…

Nach Weihnachten:

T: Hallo Axt. Gut, dass dein Herr nicht zurückkam. Mir gehts blendend!
A. (ächzt) Schön für dich, lieber Tannenbaum. Leider klingt meine Schneide nicht mehr stimmig. Der Rost, weißt du….
T: Ach, das tut mir Leid. Ja, so wandelt sich das Blatt. Erst solltest du mir an den Kragen gehen. Nun steht dein Leben auf Messers Schneide …

Bärbel Giessmann

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