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Adventsmenu zur Schreibanregung vom 19. Dezember

Mein Advents-Menu
gezaubert von Günter Kranz

Den vierten Advent habe ich wieder allein verbracht, wie jedes Jahr. Und wieder habe ich mich mit einem exquisiten Menu für mich allein getröstet. Diesmal zauberte ich ein Fünf-Gänge-Menu aus der Zeitschrift „Metzger und Lamm“. Ich hab es kulinarisch krachen lassen, sozusagen.

Als erstes gab es „Soupe d´oubli“, wie ich sie hier einmal nennen möchte. Bei der Zubereitung stellte ich fest, dass es sich um eine total ausgefallene Suppe handelt. Sie besteht aus erlesenen Zutaten, die ich leider vergessen hatte einzukaufen.

Vorspeise: Gefüllte Zucchini. Ich bevorzuge die reifen Früchte aus dem Norden Venezuelas. Dort gibt es einen Bauern, der sie an der Nordseite seines Feldes anbaut und sie vorschriftsmäßig bei Vollmond mit der linken Hand erntet. Ich bin ein großer Kenner und Liebhaber von Zucchini. Sie haben mir wieder köstlich geschmeckt. Ach so. Ich schaue gerade noch mal ins Rezept. Aubergine, es war eine gefüllte Aubergine. Pardon.

Zwischengang: Gegrillter Lachs an Broccoliröschen mit Sauce Hollandaise. Ich hasse Fisch. Deshalb hab ich bei der Nachbarin geklingelt und ihr den Teller mit dem Lachs in die Hand gedrückt. Aber ohne Sauce Hollandaise. Ich schlag doch für die keine Hollandaise auf!

Hauptgang: Lecker, lecker. Es gab Gans. Polnische Gans, das heißt, sie ist in Polen geboren, hat in Ungarn eine Ausbildung zur Weihnachtsgans absolviert und war dann ein paar Monate in Frankreich zum Mästen. Der Verkäufer sagte, dass sie außerdem noch spanisch beherrscht. Ich habe sie nach dem Niedrigtemperatur-Prinzip gegart. Also am Montag letzter Woche bei 44 Grad Celsius in den Kachelofen gelegt. Sie war zwar gestern, also rechtzeitig zum vierten Advent, gar, aber ich habe dann doch eine Dose Würstchen aufgemacht. Irgendwie riechen diese spanisch sprechenden Gänse merkwürdig.

Nachtisch: Es gab Crèpes Suzette, mit Grand-Marnier flambiert. Ich war richtig gut, keiner der Pfannkuchen ist mir beim Wenden an der Decke kleben geblieben. Vielleicht habe ich dann etwas zu viel Schnaps in die Pfanne gegossen. Das meinte jedenfalls der Mann von der Feuerwehr. Bis die Küche wieder in Ordnung ist, gehe ich zum Italiener unten an der Ecke.

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Traum am Baum – ein Text zur Schreibanregung vom 15.12

Ein Text von Günter Kranz

Ich spüre deine Rinde in meinem Rücken. Sie ist hart und grob, aber dennoch mag ich es, mich an dich zu lehnen und sie zu berühren. Warum fühlen wir uns in eurer Obhut so wohl?
Ihr liebt uns, weil ihr uns braucht. Während des kurzen Weges, den wir in unserer Geschichte gemeinsam gegangen sind, waren wir euch von vielfachem Nutzen. Und ihr hängt an uns, weil eure Phantasie uns Bäume mit wohlwollenden Attributen bedacht hat.
Wie das?
Ihr weist uns Eigenschaften zu, die ihr begehrt, von denen aber viele von euch nicht mehr wissen, dass sie euch eigen sind.
Welche Eigenschaften wären das?
Standhaftigkeit. Ihr wollt geerdet sein, Bodenhaftung haben. Was hindert euch daran? Ein langes Leben. Ihr erstrebt die Lebensdauer eines Baumes, die ihr für endlos haltet wie eure Liebe, deren Zeugnis ihr in unsere Haut ritzt. Warum lebt ihr es nicht, euer Leben? Beständigkeit. Ihr bewundert die Kraft, die uns ohne eigenes Zutun durch den Wechsel der Jahreszeiten führt. Warum vertraut ihr nicht?
Aber wir sind Menschen! Wir können nicht stehen bleiben und warten, dass es Sommer wird. Wir sind mobile Wesen, Wurzeln wären uns hinderlich. Wir haben es eilig, weil unser Leben kurz ist. Du lachst?
Und doch schlagt ihr Wurzeln! Ihr seid verankert, aber nicht mehr in eurer Vergangenheit, die eure Erde ist. Nein, eure Wurzeln haben neuen Halt gefunden, den sie für sicherer halten. Sie schlingen sich um eure Vorurteile, und sie klammern sich an euren Besitz. Und euer Leben? Es ist nicht kurz, Ihr lebt, wie alle Lebewesen, lange genug.
Das klingt hart.
Ach was. Nimm es nicht persönlich. Ich berichte nur, was ich weiß und was ich sehe. Wir Bäume sehen viel, weil wir alt sind und weit schauen. Wir überblicken Raum und Zeit.
Auch die Zeit?
Auch die Zeit. Jeder von uns speichert die Zeit in seinen Fasern, seit der erste Samen keimte. Wir leben unsere Vergangenheit. Sie ist unsere Substanz, unsere Sicherheit.
Und die Zukunft? In die Zukunft seht auch ihr nicht! Du lachst schon wieder!
Wer seine Vergangenheit kennt, weiß auch um seine Zukunft.
Das verstehe ich nicht.
Nein? Denk nach! Kennst du deine Zukunft? Denk nach, und sei ehrlich. Was ist? Du weinst? Bist du traurig?
Ja. Nein. Du hast recht. Doch, ich sehe meine Zukunft. Ich spüre sie im Pochen meines Blutes. Ich sehe den Strom. Nicht die Rinnsale, Bäche und Flüsse. Aber den Strom, den sehe ich. Und weit hinten das Meer. He, was war das?
Du wirst sentimental. Ich habe mir erlaubt, einen Zweig auf deinen Kopf fallen zu lassen. Es wird Nacht. Du musst gehen, sie warten auf dich.

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